André Dinter im Interview

André Dinter und sein größter Kritiker Herr K. nun exklusiv im Gespräch. Und so ein kleiner Kritiker der hält auf Trapp und lässt nie locker. Scharf nachgefragt und vollständig recherchiert fühlt Herr K. Herrn D. einmal schonungslos auf den Zahn.

mit seinem größten Kritiker - teil 7 - Der Heimchenflüsterer …

Herr K.: „Herr Dinter,  das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?“

Herr D.: „Oh doch. Heute geht es um meine Diplomarbeit …“

Herr K.: „Aber das ist absurd … hier geht es doch um Literatur“

Herr D.: „Ach wissen Sie alles hat seinen Platz im Leben und letzten Monat habe ich ja schon von meinem Abitreffen erzählt.“

Herr K.: „Was hat das jetzt damit zu tun?“

Herr D.: „Viele fragten, was ich denn so gemacht habe. Und dann erzähle ich vom Biologiestudium, Fortbildung, Werbung, Schauspieler und dann auf die Frage, nach meiner Diplomarbeit, glaubte mir keiner die Antwort.“

Herr K.: „Mit den Heimchen?“

Herr D.: „Genau. Ich erzähle, dass ich die Werbegesänge von gut 50 männlichen Hausgrillen aufgezeichnet, ausgewertet und in Wahlversuchen getestet habe … “

Herr K.: „Ja und?“

Herr D.: „… und alle glauben, ich wollte sie veräppeln. Haben dann immer so ein Grinsen um den Mund. Nicht nur beim Abitreffen. Wenn ich das nach einem à la Carte-Auftritt Gästen erzähle, ist es genauso. Anscheinend liegt das zu weit auseinander.“

Herr K.: „Liegt es das denn nicht?“

Herr D.:  „Ne. Es war eine wissenschaftliche Arbeit über Sender-Empfängersysteme in der Öko-Ethologie. Also wie selektiert die Umwelt das Verhalten für eine Optimierung der Fitness im Sinne einer fortpflanzungsfähigen Nachkommenschaft …“

Herr K.: „Mein Gott … Sie waren Wissenschaftler … “

Herr D.: „Ja. Und ich habe extra einmal meine Diplomarbeit herausgesucht. Die ist nämlich auch noch nicht richtig veröffentlicht worden.

Herr K.: „Was heißt das denn?“

Herr D.: „Na ja. Eigentlich sollte ich die Ergebnisse noch in englischer Sprache in einer Fachzeitschrift veröffentlichen. So ging nur eine kurze Zusammenfassung an die ethologische Gesellschaft. Und ich stehe eigentlich immer noch im Wort, dass ich das noch nachhole. Ich dachte, vielleicht indem ich diese Arbeit nun hier einmal öffentlich mache …“

Herr K.: „Warum haben Sie das nicht direkt gemacht.“

Herr D.: „Ich hatte zum Ende meiner Diplomarbeit gerade erfahren, dass ich Vater werde und damit war das für mich eigentlich vom Tisch. Warum da noch Arbeit investieren, wo ich mich gegen eine Doktorarbeit entschieden hatte.“

Herr K.: „Und warum?“

Herr D.: „Die Verhaltensforschung ist nicht sehr angesehen in Deutschland. Und ins Ausland zu gehen war dann mit Kind etwas schwierig. Außerdem wurde mein Professor emeritiert und damit war die Ethologie in Bochum nicht mehr vorhanden.“

Herr K.: „Dumm gelaufen, wie?“ 

Herr D.: „Es war ok. Zu der Zeit wollte ich ohnehin lieber was mit Journalismus machen.“

Herr K.: „Ach so, und deshalb dann die Fortbildung.“

Herr D.: „Genau.“

Herr K.: „Und ihre Diplomarbeit …?“

Herr D.: „… lag lange Zeit ad Acta und irgendwie dachte ich, warum nicht hier. Dann kann jeder mal reinschauen. In die Zusammenfassung, oder in die ganze Arbeit.“

Herr K.: „Aber das ist doch eine wissenschaftliche Arbeit, nicht Prosa, nicht Lyrik, was soll das hier. Um was ging es eigentlich.“

Herr D.: „Nun, es war eine spannende Ausgangsfrage. Die Männchen locken Weibchen mit ihrem Gesang an. Im Grunde handelt es sich dabei um einen akustischen Schmuck. Die Frage war, ob die Gesänge der Männchen eine ehrliche Information für die Wahl durch die Weibchen beinhaltete …“

Herr K.: „Ja, wie sollten Sie das denn herausfinden?

Herr D.: „Die Männchen erzeugen den Gesang, indem Sie ihre Flügel übereinander führen. Vom Prinzip her wie eine Schnarre. Hier rechts nebenan finden Sie ein Hörbeispiel.“

Herr K.: „Ok, hört sich schön an, aber was sollen die Weibchen denn daraus ablesen?“

Herr D.: „Den Dominanzstatus. Ich habe die Männchen nach einer ersten Aufnahemphase miteinander kämpfen lassen. Und zu verschiedenen Zeiten nach dem Kampf wieder aufgenommen. Sie hören hier rechts abwechselnd einen Gewinnergesang und einen Verlierergesang vor und nach einem Kampf.“

Herr K.: „Das ist ja spannend. Die kämpfen miteinander?“

Herr D.: „Männliche Heimchen (Acheta domesticus) bilden sogar Rangordnungen aus. Und die Frage war, ob es Gesangsparameter gibt, die schon vor einem Kampf Auskunft  über den Dominanzstatus geben.“

Herr K.: „Ah, der Gesang des Siegers, das ist in der Tat schon poetisch. Und was war es?

Herr D.: „Es gab nichts. Durch den Kampf und das aggressive Verhalten wurde die Zahl der Zirplaute pro Zeiteinheit beim Sieger erhöht und der Verlierer war zumeist einfach still. Die Lauterzeugung kostet ja vermutlich auch Energie. Warum dann also Energie verschwenden, wenn da ein Stärkerer anwesend ist.“

Herr K.: „Und das war es?“

Herr D.: „Ja. Aber der Effekt hielt nur eine halbe Stunde nach der Trennung an. Danach gab es keinen signifikanten Unterschied mehr. Auch nicht in der Attraktivität  bei den Wahlversuchen.“

Herr K.: „Aha. Also waren die Sieger nur eine halbe Stunde Sieger, ja?

Herr D.:  „Im Prinzip. Aber weil ich es ja genau wissen wollte, habe ich noch den Fortpflanzungserfolg, nach der Verpaarung verglichen.“

Herr K.: „Also wer mehr kleine Heimchen bekam, oder wie.“

Herr D: „Bei wem die Weibchen mehr Eier ablegten“

Herr K: „Und hatten die Sieger mehr kleine Heimchen?

Herr D.: „Ne. Anscheinend ist der Fortpflanzungserfolg altersabhängig“ 

Herr K.: „Sie wussten auch noch das Alter? “

Herr D.: „Ja.“

Herr K.: „Das muss doch eine Höllenarbeit gewesen sein?“

Herr D.:
„Ja. Und wenn man dann nach 15 Monaten sieht, wie viel Arbeit das war, für Ergebnisse, die vielleicht eine handvoll Menschen auf der Welt überhaupt interessiert (vom Anfang), na ja, eigentlich war ich ganz froh, dass ich nicht noch ne wissenschaftliche Heimchenkarriere drangehängt habe.“

Herr K.: „“Haben Sie da nicht sehr gelitten? Da dieser U35 Text mit der Tür und die Fließbandfrau, sind die nicht in dieser Zeit entstanden?“

Herr D.: „Ja. Der Alltag hatte damals viele nervige Routine und damit viel um drüber zu schreiben. Selbst „Equinox“ fällt in diese Zeit. Da saß ich wohl gerade an meinem Schreibtisch an der Uni, nach einem Tag als Tierpfleger und Wissenschaftler und „Heimcheneierzähler“, schaute aus dem Fenster und hielt kurz inne.

Herr K: „Und wie sieht so eine wissenschaftliche Arbeit nu aus?“

Herr D.: „Es gibt eine Einleitung, Material und Methoden, Ergebnisse, noch mehr Ergebnisse, und noch viel mehr Ergebnisse, dann eine Diskussion und zum Schluss die Zusammenfassung. Die Essenz, die meist das ist, was wenn überhaupt gelesen wird.“

Herr K.: “Verstehe. Also zusammengefasst: die Männchen in ihren besten Jahren sind für die Weibchen insofern interessant, weil sie optimal in den Nachwuchs investieren.“

Herr D.: “Ja, bei Heimchen.“

Herr K.: „Und was bedeutet das für den Menschen.“

Herr D: „Erstmal gar nix. Weil der Mensch ein komplexerer Organismus ist. Wissenschaftler suchen sich einfache Systeme aus und dort finden sie grundlegende Faktoren, die das Verhalten unter definierten Bedingungen steuern. Die spielen beim Menschen vielleicht auch eine Rolle, werden aber von anderen Faktoren überlagert, so dass wir sie nicht so ohne weiteres auch beim Menschen nachweisen können.“

Herr K.: „Hui – also schön singen bringt noch keinen Fortpflanzungserfolg?

Herr D.: „Es ging ja mehr um Schmuck im Allgemeinen. Das ist dann beim Menschen sicher auch der Dominanzstatuts, aber genauso auch der Porsche, das Sixpack, das markante Kinn, der Geruch, die Allgemeinbildung, das Haus, der Swimmingpool, die Führungsposition, der Kontostand, die inneren Werte … und ja, vielleicht auch eine schöne Stimme.“

Herr K.: „Ich verstehe. Sie haben also im Angesicht dieser unlösbaren Gleichung …

Herr D: „:… wahrscheinlich das Richtige getan und auf mein Bauchgefühl gehört. Das sagt mir immer, wenn die Rechnung nicht aufgeht und die Investition sich  nicht lohnt.“

Herr K.: „Also kein Sisyphus?“

Herr D: „Interessant, dass Sie die Geschichte noch erwähnen. Ich habe ja die ganzen Heimchengesänge noch auf Musikkassetten im Keller gehabt. Und das ging jetzt auch ganz gut einzuspielen, abzuspeichern fertig ist es im Internet. Damals konnte ich das gar nicht, weil die Festplatten zu klein und die Prozessoren zu langsam waren. Ich habe die Auswertungen glaube ich immer nur im virtuellen Speicher gehabt.“

Herr K.: „ Ja wie wäre das denn jetzt? Materialsicherung und hundert Heimchengesänge auf ewig in den weiten des Internets?“

Herr D.: „Ne, das brauch ich nicht noch mal, obwohl … ach nee …“

Herr K.: Dann hat die Welt Sie nachhaltig wieder und ich danke für dieses Interview.“

Herr D.: „Ich habe zu danken.“

b
ad
andré dinter
autortorte

Interview 1 - vom Anfang

Interview 2 - persönlich

Interview 3 - Alltagsvorgaben

Interview 4 - Mitten im Leben

Interview 5 - Wat nu?

Interview 6 - Die Jahre dazwisch.

Interview 7 - Der Heimchenflüst.

Interview 8 - 100er + Tatort Fus…

Interview 9 - Sept. im Oktober

Interview 10 - Der wahre Oktober

Interview 11 - Matching Pages

Interview 12 - Vom Ende

Kostproben

Lese- oder Hörprobe gefällig? Dann hier unten mal stöbern:

Stand 30.12.2009



1 a. Vom Anfang (als mp3)
1 b. Vom Anfang (als pdf)

Stand 19.01.2010

 
 

2 a. Die Bommelmütze (als mp3)
2 b. Die Bommelmütze (als pdf)

bommel

Stand 01.03.2010



3 a. Die Tür (als mp3)
3 b. Die Tür (als pdf)

Wissenschaft

hier geht es ans Eingemachte

Stand 05.07.2010


 
acheta d.

2 a. Die Acheta domesticus (als mp3)
Gesang zweier Männchen in unterschiedlichem Dominazstatus für einen Wahlversuch durch Weibchen.

Diplomarbeit

(alle als pdf)

2 b. Einleitung

2 c. Material und Methoden,

2 d. Ergebnisse,

2 e. noch mehr Ergebnisse

2 f. noch viel mehr Ergebnisse

2 g. Diskussion

2 h. Zusammenfassung

Poetische Einsichten

die tieferen Einsichten des André Dinters ins Leben und überhaupt:

HUNDERTER

2004 entstanden und gerade frisch überarbeitet und neu eingesprochen:

Stand 01.03.2010

4 a. Der Wettlauf (als mp3)
4 b. Der Wettlauf (als pdf)

andré_dinter

Stand 01.04.2010



6 a. Stuehle (als mp3)
6 b. Stuehle (als pdf)

Stand 15.08.2010



105 a. Der Tunnel (als mp3)
105 b. Der Tunnel (als pdf)

handuhr

Stand 02.10.2010



104 a. Die Entdeckung(als mp3)
104 b. Die Entdeckung (als pdf)

Stand 07.05.2010



7 a. Gewitter (als mp3)
7 b. Dschungelgewitter (als pdf)

Stand 22.10.2010



103 a. Der Blasebalg (als mp3)
103 b. Der Blasebalg (als pdf)

Stand 07.05.2010



8 a. Basteln (als mp3)
8 b. Basteln (als pdf)

Stand 22.10.2010



102 a. Der Trockner (als mp3)
102 b. Der Trockner (als pdf)

Stand 02.06.2010



9 a. Unheimliche Begegnung (als mp3)
9 b. Unheimliche Begegnung (als pdf)

Stand 22.10.2010



101 a. Die Fliege (als mp3)
101 b. Die Fliege (als pdf)

andre

Stand 01.04.2010



5 a. Die Unberührte (als mp3)
5 b. Die Unberührte (als pdf)

 

Stand 02.10.2010



10 a. Aua (als mp3)
10 b. Aua (als pdf)

Stand 11.09.2010 (geplant)



9/11 a. Ebstein-Slam (als mp3)
9/11. Ebstein-Slam (als pdf)

Poetische Einsichten

die tieferen Einsichten des André Dinters ins Leben und überhaupt:

tatort Jazz

André dinter bei Tatort Jazz

Stand 29.11.2010



201 a. Ertappt (als mp3)
201 b. Ertappt (als pdf)

Stand 29.11.2010



202 a. de bello fortunae (als mp3)
202 b. de bello fortunae (als pdf)

Stand 28.12.2010



204 a. Missverständnis (als mp3)
204 b. Missverständnis (als pdf)

Stand 28.12.2010



203 a. Der Eintopf (als mp3)
203 b. Der Eintopf (als pdf)

Stand 28.12.2010



205 a. Trauerfee (als mp3)
205 b. Trauerfee (als pdf)

Stand 28.12.2010



206 a. Letztlich immer (als mp3)
206 b. Letztlich immer (als pdf)

Stand 28.12.2010



207 a. Vom Ende (als mp3)
207 b. Vom Ende (als pdf)